3. Juli 2020
Heute tagte der Kronrat in der Kaiserlichen Residenz an der Spree. Es galt prall gefüllte Schatztruhen an die Fürstentümer zu verteilen. Einen Löwenanteil sicherte sich der König des Rheinlands obwohl keiner versteht, wie das Rheingold so schnell zur Neige gehen konnte. Der König ist weithin als Frohnatur bekannt und stieß sogleich mit den Grafen von Hambach zu Hambach auf die Verlängerung ihrer Konzession ab. Kurzzeitig machte sich Verwunderung breit, weil der König den Grafen für diese Abbaurechte noch eine Truhe voll Gold übergab, wo doch der Graf alten Gebräuchen folgend hätte zahlen müssen. Doch die königlichen Jäger zerstreuten die aufmüpfige Menge und vertrieben sie aus den gräflichen Jagdgründen zu Hambach. Zum Abschluss der Feierlichkeiten lud der König das ganze Volk des Rheinlands zur Besichtigung seiner neuen Köhlerei. Ihr Rauch war noch im benachbarten Reichen zu sehen, was den kleinen Herrscher sichtlich mit Stolz erfüllte.
Auch der sächsische Hof sicherte sich einen erklecklichen Batzen Dukaten für seine Jagdgründe in der Lausitz. Den Wölfen winken nun goldene Zeiten. Ob der sächsische Hof die wachsende Zahl murrender Untertanen nun mit Schweigegeld ruhig stellen will, blieb ungeklärt. Eine große Zahl dieser Volksmassen spaziert seit Jahren allwöchentlich durch die sächsische Residenzstadt und verteidigt das Abendland vor den Mohammedanern oder vielmehr vor deren vier Eheweibern. So mancher Hauptmann der Leibgarde ist unter ungeklärten Umständen in den Bann dieser sächsischen Gotteskrieger geraten.
Zu guter Letzt wurde auch der regierende Doktor des verarmten Fürstentums Anhalt zur Audienz empfangen. Die seit dem Dreißigjährigen Krieg leer gebliebenen Schatztruhen erlaubten es diesem Filetstück des Reiches nicht, einen eigenen Fürsten zu unterhalten. Sämtliche Vorstöße des Volkes hatte stets der amtierende Schatzmeister zurückgewiesen. Besagter regierender Doktor erhielt von der Kaiserin und dem Kronrat gnädig eine Schatulle mit Silber-Talern überreicht während der versammelte Hofstaat applaudierte. Einzig eine kleine Schar von Jacobinern – oder waren es Kommunarden? – versuchte gegen die Jubelrufe zu protestieren. Hocherfreut gelobte der Fürst, um Gott zu preisen, seinen Krönungsdom zu Naumburg in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.
Die Förderbuben in den entlegenen fürstlichen Kohlegruben richteten ihre Blicke unterdessen bange gen Norden in die Hauptstadt und hofften auf eine Fortsetzung ihres kräftezehrenden Broterwerbs. Genau zur rechten Zeit erschien daher ein Herold und verkündete lauthals, dass Kaiserin und regierender Doktor allen Untertanen Mut zu sprachen. Das Volk solle nicht verzagen. Dereinst würden noch die Kindeskinder in den blühenden Landschaften lustwandeln und sich in den Wassern des Mondsees erquicken.
